DIE HEIMATGESCHICHTE DER TREBBINER ORTSTEILE

Vom Werden und Wachsen - Archiv zur Historie

 
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Ortsschild Lüdersdorf

 

Horst Schulze

Bürgermeister und Ortsvorsteher von Lüdersdorf 1990 bis 2008

09.09.1932–05.05.2017


Das Porträt: Horst Schulze - Die Gemeinschaft zähltDank vom Bürgermeister an Margot Hönicke

Aus "Der Lüdersdorfer" 5. Jahrgang Juni 2008, Nr. 2

 

Er trifft sich heute noch mit einigen Wegbegleitern aus der Jugendzeit, wie Siegfried Spiesecke, Fritz Spieth, Hannes und Roman Altwasser sowie Manfred Lehmann. In den ersten Jahren bei den jeweiligen Geburtstagen, dann nur noch an den runden Jubiläen.

In unserem Gespräch im Gemeindebüro sitzt er vor mir. Etwas unruhig geht sein Blick zur Armbanduhr, den nächsten Termin im Kopf. Als Ortsbürgermeister nimmt er seine Verantwortung sehr ernst. Er weiß, dass im Leben nichts allein geht und er sich auch auf die Erfahrung anderer stützen muss.

Undenkbar wäre Horst Schulze ohne Lüdersdorf und umgekehrt Lüdersdorf ohne seinen Ortsbürgermeister. 

Er ist ein Kind seines Dorfes, Jahrgang 1932. Horst Schulze kennt das Dorfleben von der Pieke auf, vor allem die schwere Arbeit in der Landwirtschaft. Der Bauernhof seiner Eltern Alfred und Martha Schulze war mit den beiden jüngeren Schwestern seine kleine Welt. Das Anwesen der Familie wurde über Generationen seit 1754 bewirtschaftet. Es betrug 53 Hektar. 

So war er schon mal auf dem Acker zu finden, wenn Hilfe gebraucht wurde. Mit zehn Jahren durfte er schon mit dem Traktor auf den Acker fahren. Der Vater war für ihn sein großes Vorbild. Er vermittelte ihm wichtige Grundwerte wie Pünktlichkeit, Gerechtigkeit, Ordnung und dazu noch viele Erfahrungen, die den eigenen Fähigkeiten zugute kamen. Alles hatte auf dem Hof seine Ordnung und seinen festen Ablauf. Schließlich mussten nicht nur die vielen Hektar Land bewirtschaftet werden, sondern es gab u. a. 13 Kühe, 1 Bullen, 30 Rinder und 5 Pferde zu betreuen. Trotz der vielen anfallenden Arbeiten auf dem elterlichen Hof blieb noch Zeit, mit anderen Kindern auf dem Dorfplatz zu spielen. 

Die Jahre des Lernens in der elterlichen Wirtschaft vergingen wie im Fluge. 

Horst Schulze spürte, dass die Landwirtschaft sein Beruf ist. So begann er 1949 eine einjährige Ausbildung in Schönefeld bei Berlin als Facharbeiter für Landwirtschaft. Im Anschluss folgte 1950/51 auf der Landwirtschaftsschule in Beeskow der Erwerb des Titels „Landwirtschaftlicher Gehilfe“.

Doch für den Landwirt Alfred Schulze und seine Familie sollte das Jahr 1953 kein privates Glück bringen. Das strenge Abgabeverfahren durch den Staat führte aus objektiven Gründen bei vielen Bauern zu einer Nichterfüllung des Planes. Darum wurden vier Bauern aus Lüdersdorf eingesperrt. Um diesem repressiven Vorgehen der staatlichen Organe zu entgehen, flüchtete Familie Schulze mit anderen Bauernfamilien nach Berlin/West und dann weiter nach Hamburg.

In der folgenden Zeit erfolgten Verhandlungen über Bekannte mit Vertretern des Rates des Kreises Luckenwalde über eine baldige Rückkehr in ihre Heimat, die natürlich auch straffrei ausgehen sollte. 

Am 15. September 1953 fuhren die Auswanderer wieder in Richtung Heimat.

Zu Hause angekommen wurde nicht lange gezögert. Alle Familienmitglieder nahmen ihren Bauernhof wieder voll in Betrieb.  

Horst Schulze und Joachim Zäper besuchten auf Anregung des damaligen Bürgermeister 1954 bis 1956 die Volkshochschule in Luckenwalde. Hier erreichten sie die Anerkennung zum Feldbaumeister.

In dieser Zeit, Ende der 50er Jahre, gründete er eine Familie. Er lernte bei einem Tanzvergnügen im „Schützenhaus“ seine Ehefrau Erika kennen. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.

Im Jahre 1960 kam es in der Landwirtschaft zu einer weiteren Form der Kollektivierung, der Gründung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Typ 3. Die Lüdersdorfer Bauern erkannten mit der Zeit die Richtigkeit dieser Maßnahme. Der Vorsitzende des Rates des Kreises führte bis zu drei Gespräche in der Woche mit dem erfahrenen Bauern Alfred Schulze. Denn immerhin besaß er eine geachtete Stellung im Dorf. So kam es, dass fast alle Bauern diesem neuen Typ beitraten. Zehn Bauern wechselten erst 5 Jahre später von der LPG Typ 1 zur LPG Typ 3. 

Horst Schulze übernahm in dieser Zeit die Aufgabe eines Gespannführers im Feldbau. Lothar Baumann, damals LPG-Vorsitzender, überzeugte ihn, eine neue Herausforderung anzunehmen, die Verantwortung über den gesamten Viehbestand als Brigadier zu übernehmen.

Im Fernstudium qualifizierte er sich zwischen 1957 und 1961 zum staatlich geprüften Landwirt. Im Fernstudium an der Berliner Humboldt-Universität konnte er 1968 sein Diplom als Landwirt ablegen.

Im Jahre 1970 entstand in Lüdersdorf eine moderne Jungrinderaufzuchtanlage. Wolfgang Meyer, Vorsitzender der LPG-Pflanzenproduktion in Klein Schulzendorf, kam auf ihn mit der Bitte zu, die Leitung dieser Anlage zu übernehmen. Dieser neuen Aufgabe blieb er bis zum 30. Juni 1990 treu. An diesen Tag übernahm die AGT die Jungrinderaufzuchtanlage.

Horst Schulze hat in seinem Beruf als Landwirt viel erreicht und gemeinsam mit seinen Mitarbeitern im Dorf manches für den Betrieb und die Gemeinschaft bewegt. Sein Wort und seine Tatkraft wurden geschätzt.

So blieb es nicht aus, dass sein Engagement auf der kommunalpolitischen Bühne in der Region folgte. Im Frühjahr 1990 fanden die Kommunalwahlen statt. Die  Wählerinitiative “Freie Wähler“ des Dorfes vereinigte die meisten Stimmen auf sich und stellte mit Horst Schulze  den Kandidaten für die Bürgermeisterfunktion in Lüdersdorf auf. Er wurde von der Gemeindevertretung in dieses Amt gewählt. Seit dieser Zeit ist er bei den danach erfolgten Kommunalwahlen immer wieder in diese Position gewählt worden. 

Und wie konnte es anders sein? Nach der Eingemeindung von Lüdersdorf in die Stadt Trebbin im Jahre 2003 blieb er als  Ortsbürgermeister  tätig.

Viele Träume und Wünsche für sein Lüdersdorf bewegen ihn auch heute noch. Manche konnte er, gestützt von der Dorfgemeinschaft, erfüllen. 

Für ihn steht immer der Mensch im Mittelpunkt. So wie auch zu Hause seine Großfamilie an erster Stelle steht.


Immer an der Spitze - Horst Schulze und Joachim Bergemann 1997 zu 630 Jahre Lüdersdorf

Immer an der Spitze - Horst Schulze (l.) und Joachim Bergemann 1997 zu 630 Jahre Lüdersdorf

650-Jahrfeier von Lüdersdorf 2007, v.l. Jörg Roschlau, Joachim Wiesecke, Bernd Pienz, Joachim Bergemann, Horst Schulze und Dr. Birk650-Jahrfeier von Lüdersdorf 2007, v.l. Jörg Roschlau, Joachim Wiesecke, Bernd Pienz, Joachim Bergemann, Horst Schulze und Dr. Birk

Mitgled der Freiwilligen Feuerwehr von                     1953- 2017      Aufnahme zur 650 Jahrfeier- 2007Horst Schulze (l.) war von 1953 bis 2017 Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Aufnahme von der 650-Jahrfeier 2007

 

Amtsübergabe-Horst  Schulze an den neuer Ortsvorsther  Dietmar Ertel  -2008

Amtsübergabe von Horst Schulze an den neuen Ortsvorsteher Dietmar Ertel 2008

Horst Schulze begrüßt die Gäste zum Dorffest 2008Horst Schulze begrüßt die Gäste zum Dorffest 2008

 

Mitwirkung im Lüdersdorfer Chor

Mitwirkung im Lüdersdorfer Chor

Horst und Ehefrau Erika SchulzeHorst und Ehefrau Erika Schulze 2007

Horst Schulze wohnte bis 2012 im elterlichen HausHorst Schulze wohnte bis 2012 im elterlichen Haus.

             


 

Nachruf für Horst SchulzeDie Grabstätte von Horst Schulze

von Dr. Gerhard Birk

 

Horst Schulze fühlte sich sein Leben lang zutiefst mit seinem Heimatort Lüdersdorf verbunden. Als geschichtsbewusster Mensch sah er sich – bildlich gesprochen – als ein Zeitgenosse, der auf den Schultern seiner Vorfahren stand und der andererseits einer von jenen sein wird, auf dessen Schultern weitere Generationen stehen werden. 

 

Da er als langjähriger Bürgermeister ein wesentliches Kapitel der Ortsgeschichte mitgeschrieben hat, wollte er den Nachgeborenen einen Bericht über sein arbeitsreiches 85-jähriges Leben im Heimatort hinterlassen, um es seinen Kindern und Kindeskindern, aber auch allen übrigen interessierten derzeitigen und nachfolgenden Dorfbewohnern zu erleichtern, den Staffelstab ohne Unterbrechungen weiterzutragen. 

 

Wiederholte Anrufe sagten mir, dass es Horst sehr eilig hatte. Ob er ahnte, dass seine Lebensuhr abgelaufen ist? 

Am 2. April 2017 setzen wir uns zusammen, um seinen Plan zu beraten. Der Tod bereitete seinem Respekt gebietenden Vorhaben ein jähes Ende. Mir, einem seiner langjährigen Freunde, bleibt nun nur die Möglichkeit, seine Vorstellungen mit meinen Worten zum Ausdruck zu bringen: Horst wollte einen ungeschminkten Einblick in sein Leben und Wirken in seiner Familie und in der Gemeinde geben. Er wollte auch Personen, die mit ihm gemeinsam, und das hin und wieder auch im Widerstreit mit anderen Auffassungen, für die Verbesserung der Lebensbedingungen im Ort tätig gewesen sind, zu Wort kommen lassen. Er wollte sich kein Denkmal setzen, sondern dargestellt wissen, wie schwierig und kompliziert sein Entwicklungsweg in der NS-Zeit, in der Kriegs- und Nachkriegszeit, in der DDR und schließlich im wiedervereinten Deutschland vollzogen hat. 

Neben der Beschreibung seines bewegten Lebens sollte unbedingt klar und deutlich herausgearbeitet werden, dass die während seiner Tätigkeit als Leiter der Jungrinderaufzucht-Anlage und während der langjährigen Amtszeit als Bürgermeister die Verschönerung des Dorfes und die damit einhergehende Verbesserung der Lebensbedingungen seiner Bewohner ohne die vielen sichtbaren und unsichtbaren Mitstreiter nicht möglich gewesen wären. 

Diesen Worten war auch sein inniger Wunsch zu entnehmen, dass es sich allen Widrigkeiten des Lebens zum Trotz allemal lohnt, immer so gut wie möglich miteinander umzugehen und Streit zwischen Personen und Personengruppen zu überwinden, bevor er sich zu einem Dauerbrand ausbreitet und scheinbar irreparable Schäden hinterlässt. 

Sein Motto lautete schließlich: Probleme sind dazu da, damit sie zur Zufriedenheit aller Beteiligten gelöst werden. Mit diesem trivial anmutenden Wunsch wollte er seinen Mitmenschen offenbar kundtun: Nur im letztendlich schöpferischen, einträchtigen nach vorn gerichteten Miteinander kann man der Lebensfreude und der Lebensqualität wesentliche Impulse geben. Diese Denkweise, die sicher leichter hingeschrieben ist, als dass sie sich immer in die Tat umsetzen lässt, ehrt den Verstorbenen. 

 

Ich sah es als meine Pflicht an, seinen von Humanität und von Altersweisheit bestimmten Zuruf an die Nachwelt weiterzugeben und bin davon überzeugt, dass Horst Schulze in der Erinnerung der Nachgeborenen in diesem Sinne fortleben wird.

 

Chemnitz, den 11.05.2017