Albert Wuthe
25.06.1887–18.02.1984
Heimatfreund und Heimatforscher
Quelle: Redaktion/Heimatkalender des Kreises Zossen, Seite 90/1981
Als Sohn einer alteingesessenen Bauernfamilie kam Albert Wuthe am 25. Juni 1887 in Lüdersdorf zur Welt.
Den Verhältnissen der damaligen Zeit entsprechend konnte der aufgeweckte Knabe nur die einklassige Volksschule besuchen. Seine frühe Jugendzeit verlief sorglos, doch schon mit 18 Jahren musste er den Bauernhof übernehmen, da sein Vater im Alter von 63 Jahren starb.
Albert Wuthe war ein fröhlicher, geselliger Jüngling, der mit der Gründung des Lüdersdorfer Turnvereins 1903 regelmäßig Sport trieb. Große Freude hatte er auch am Singen. Er 61 Jahre aktiver Sänger im Männerchor.
Seine große Liebe galt jedoch immer seiner Heimat, und sie war die Triebfeder für alle Aktivitäten, die Albert Wuthe auf dem Gebiet der Heimatforschung entwickelte. Sein Interesse an der Vergangenheit erwachte, als er 1926 beim Abfahren von Kies auf eine Urne stieß mit Metallbeigaben. Die meisten Menschen seiner Umgebung wären wohl achtlos an den „alten Scherben“ vorübergegangen, weil sie ihre Bedeutung nicht kannten.
Albert Wuthe war jedoch sicher, dass er hier auf ein Denkmal aus grauer Vorzeit gestoßen war. Er ließ die Abfuhr von Kies einstellen, um jede Zerstörung zu vermeiden und meldete den Fund den Märkischen Museum in Berlin.
Bald wurde auf der Fundstelle, dem Zwergberg bei Lüdersdorf, unter Leitung von Prof. Dr. Kiekebusch eine Grabungskampagne durchgeführt, die über 60 Urnen mit zahlreichen Metallbeigaben ans Licht brachte.
Albert Wuthe hat bei den Ausgrabungen oft mitgeholfen und sich dadurch die ersten praktischen Erfahrungen angeeignet. Vor allem lernte er die vor- und frühgeschichtlichen Keramikreste von neuzeitlichen Scherben zu unterscheiden. So wird es erklärlich, dass er kurze Zeit später bei der Anlage eines Spargelfeldes wieder auf Bodenfunde stieß.
Diesmal war es das Fundament eines Blockhauses aus germanischer Zeit.
Auch bei den Grabungen auf dem Lindenhorst, einem Burgwall, der sich zwei Kilometer südlich von Lüdersdorf im großen Luch befindet, war Albert Wuthe dabei. Die Grabung unter der Leitung des Dr. Hohmann erbrachte den Beweis, dass dieser Burgwall seit der Bronzezeit immer besiedelt war. Die Lage mitten im Luch lässt auf eine Fluchtburg schließen.
Der zweite Weltkrieg und die Nachkriegszeit machten der Heimatforschung zunächst ein Ende. Doch bald fühlte sich Albert Wuthe durch das Wirken des Bodendenkmalpflegers Karl Fiedler aus Sperenberg wieder ermutigt, in seiner Arbeit fortzufahren.
Die Bekanntschaft der beiden Männer war sehr fruchtbar. Albert Wuthe erhielt von Karl Fiedler viele nützliche Hinweise und konnte sich seinerseits durch eine Menge von Fundmeldungen revanchieren.
Dass solche Entdeckungen und Funde von Bodenaltertümern nicht nur durch Zufall erfolgten, hat Albert Wuthe im Alter von 84 Jahren einmal sehr anschaulich beschrieben:
„Im Frühjahr 1972 wurden auf unserer Feldmark die Gräben zu den Rohrleitungen der Beregnungsanlagen mit Baggern ausgehoben. Sämtliche Gräben, 12 km, bin ich aufmerksam hin- und zurückgelaufen, um eventuell vorgeschichtliche Fund zu bergen. Am Graben von der Lehmgrube bis zum Wald habe ich 300 Meter vor Ende des Grabens einige zerbrochene Urnen und eine leicht beschädigte Urne aus der Erde geborgen, worin schöne Schmuckbeigaben sich befanden und diese dem Bodendenkmalpfleger Karl Fiedler übergeben.“
Albert Wuthe mit Lehrer Heinrich Köhler im Gespräch an einem Kuriosum der Natur. Kiefer und Eiche sind hier zusammengewachsen. (1931)
Honoratioren unter sich - v.l.n.r. Heini Sebastian, Alfred Schulze, Albert Wuthe und Albert Lehmann (1963)
Lüdersdorfer Männergesangverein - in der Mitte Albert Wuthe
Albert Wuthe vor seinem Haus im Rundling Lüdersdorf
Das heimatkundliche Interesse von Albert Wuthe beschränkte sich nicht nur auf die Archäologie. Seit den Tagen von Prof. Dr. Kiekebusch und Dr. Hohmann hat er begonnen, Material aus den Dorfgeschichten von Lüdersdorf, Gadsdorf und Christinendorf zu sammeln. Erst als Rentner hatte er die Möglichkeit, das reichhaltige Material zu ordnen.
Da sein Heimatort Lüdersdorf jahrhundertelang zum Amt Zossen gehörte, verschaffte er sich Zugang zu den Zossener Amtsakten, die sich im Staatsarchiv Potsdam befanden. Hier entdeckte er viele Dokumente, die sich auf Ereignisse der genannten Dörfer bezogen. Gestützt auf diese Erkenntnisse und aus dem Schatz seiner persönlichen Lebenserfahrungen schöpfend, schrieb Albert Wuthe seine bemerkenswerte Dorf- und Familienchronik.
Später setzte er seine Arbeit in gleicher Weise für die Dörfer Gadsdorf und Christinendorf fort. Besondere Beachtung verdient seine frische, wahrheitsgetreue Darstellung des früheren Lebens auf dem Lande. Das von Albert Wuthe gesammelte Akten- und Faktenmaterial dürfte für manchen zukünftigen Doktoren und Historiker eine wahre Fundgrube sein.
Da die drei Dorfchroniken sich im Aufbau ähneln, sei als Beispiel die Lüdersdorfer Chronik vorgestellt. Vorausgeschickt sei, dass Albert Wuthe jede Zeile mit eigener Hand geschrieben hat. Die Chronik gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil finden sich die Stammbäume der Lüdersdorfer Familien, soweit sie sich aus den alten Kirchenbüchern und anderen Quellen ermitteln ließen.
Die Darstellung erfolgte unter Berücksichtigung der einzelnen Hofstellen und der jeweiligen Besitzer.
Mag diese Zusammenstellung zunächst nur für die Lüdersdorfer Einwohner von Interesse sein, so finden sich auch hier bereits Hinweise auf geschichtliche Ereignisse oder Persönlichkeiten. Z.B. war die Lüdersdorfer Bauernfrau Anna Marie Otto, geb. Schadow, die Tante des berühmten Bildhauers Gottfried Schadow, der die Quadriga auf dem Brandenburger Tor in Berlin schuf. Gottfried Schadow, dessen Eltern aus Saalow bzw. Mellensee stammten, war als Schüler öfter mit seinen Eltern bei seiner Tante in Lüdersdorf.
Eine Fülle von heimatkundlichem Material, das Albert Wuthe teils aus eigener Erinnerung, teils aus Archiven ermittelt hat, ist im zweiten Teil der Chronik niedergeschrieben. Dabei wird ein weiter Bogen von den ersten Spuren menschlicher Besiedlung im Raum von Lüdersdorf bis zu den Erlebnissen des Chronisten gespannt. Wir lesen von der Unterdrückung der Bauern als Hofdienste, von großen Feuerbrünsten, von den Schulverhältnissen, von den Redewendungen im Teltower Platt, von alten Sitten und Bräuchen, von der Gesindeordnung, vom Straßen- und Bahnbau, von der Einführung der Elektrizität und von vielen anderen Ereignissen.
Die Erlebnisse des Autors vor allem in der Kriegs- und Nachkriegszeit sind dabei von besonderem Interesse, weil sie über das persönliche Erlebnis hinaus Rückschlüsse auf das soziologische Verhalten der Menschen auf dem Lande zulassen.
Im Alter von 90 Jahren hat Albert Wuthe ohne Auftrag und Besoldung seine Dorf- und Familienchronik nochmals mit eigener Hand abgeschrieben, z.T. sogar mit Zeichnungen versehen und sie dem Rat des Kreises Zossen als Geschenk übergeben.
Im Vorwort schreibt er:
"Nun, liebe Mitbürger, gebe ich Euch dieses Buch zum Gedenken derer, die vor Euch waren, mit dem innigsten Wunsch für eine glückliche,friedliche Zukunft für Euch und alle Eure Nachkommen.
Zu einer solchen Leistung, die sich mit einer noblen Gesinnung verbindet, gratulieren wir Herrn Albert Wuthe sehr herzlich und wünschen ihm in seinem hohen Alter noch lange Zeit Gesundheit und Freude an der fortschrittlichen Entwicklung unserer Heimat."
1984 - Traueranzeige von Albert Wuthe in der Märkischen Volksstimme
Gedenken an Albert Wuthe
Der Lüdersdorfer Heimatverein e.V. führte im Rahmen des 40. Todestages des Heimatforschers Albert Wuthe am 24.02.2024 um 10 Uhr an seinem Denkmal eine Ehrung durch. Jeder Lüdersdorfer hatte die Möglichkeit an dieser Würdigung teilzunehmen.
Ansprache von Ortschronist Jörg Roschlau anlässlich der Ehrung:
Sehr geehrte Gäste und Lüdersdorfer,
wir sind heute zum Gedenken an einen ehrwürdigen Bürger unserer Gemeinde zusammengekommen. Vor 40 Jahren, am 18.02.1984, verstarb unser Heimatforscher und Heimatfreund Albert Wuthe im Alter von 97 Jahren.
Nur wenige Schritte vom Denkmal entfernt, in Sichtweite, sehen wir sein elterliches Haus. Dort wuchs er in einer alteingesessenen Lüdersdorfer Bauernfamilie wohlbehütet auf. Schon zeitig, sein Vater verstarb früh, musste er als einziger männlicher Erbe den Bauernhof übernehmen.
Trotz dieser großen Verantwortung nahm er sich Zeit für die Heimatforschung, die ihm besonders am Herzen lag. Auslöser dieses Interesses war ein besonderer Fund im Jahre 1926. Beim Abfahren von Kies auf dem Zwergberg von Lüdersdorf stieß er auf eine Urne mit Metallbeigaben, die dann vom Märkischen Museum Berlin umfangreich erforscht und gesichert wurde. Albert Wuthe begleitete danach nicht nur viele historische Ausgrabungen in der Umgebung von Lüdersdorf, sondern beschäftigte sich auch mit der Dorfgeschichte von Lüdersdorf und den Nachbargemeinden Gadsdorf und Christinendorf. Er begann zeitnah, Material und Dokumente zu sammeln. Dazu nutzte er unter anderem Zossener Amtsakten, die sich im Staatsarchiv Potsdam befanden. Auch eigene Erinnerungen wurden festgehalten.
Gestützt auf die Dokumentensammlung und seine persönliche Lebenserfahrung nutzte er als Rentner die Möglichkeit, das reichhaltige Material zu ordnen. In dieser Zeit schrieb Albert Wuthe seine bemerkenswerte Dorf-und Familienchronik von Lüdersdorf. Alle Chroniken hat er bis ins hohe Alter mit der Hand geschrieben und mit eigenen Zeichnungen versehen.
Sein Wirken und die Leidenschaft seiner Bemühungen waren im ganzen Dorf zu spüren: Ob als Gründungsmitglied des Lüdersdorfer Turnvereins oder die aktive Teilnahme im Männergesangverein, dem er 61 Jahre treu blieb.
Oder, was die Wenigsten von uns wissen, seine Tätigkeit als Bürgermeister in den Jahren 1920 bis 1924.
In seiner Schaffenszeit begleiteten ihn viele Gleichgesinnte, wie der Bodendenkmalpfleger Karl Fiedler aus Sperenberg, Lehrer Heinrich Köhler, Albert Lehmann, Heini Sebastian und Alfred Schulze, um nur einige zu nennen!
Die Dorfgeschichte ist ein wichtiger Teil unserer Kultur und Identität. Und es gibt viele Gründe, warum es wichtig ist, Dorfgeschichten festzuhalten und an ihrer Weiterführung zu arbeiten und mitzuwirken. Zum einen können sie uns helfen, die sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen zu verstehen, die in ländlichen Gemeinden stattgefunden haben. Darüber hinaus können Dorfgeschichten auch dazu beitragen, die Erinnerungen und Erfahrungen von Menschen zu bewahren, die in diesen Gemeinden leben oder gelebt haben.
Danke, Albert Wuthe, Du hast uns ein historisches Fundament unserer Lüdersdorfer Geschichte hinterlassen.
Diese historische Hinterlassenschaft fand auch Platz in der ersten Lüdersdorfer Chronik “Historisches Mosaik eines Märkischen Dorfes“ von Dr. Birk, das im Jahre 1996 erschien. An diesem einmaligen Werk beteiligten sich viele Lüdersdorfer mit Bildern und Beiträgen.
Der Lüdersdorfer Heimatverein hat seit seiner Gründung kontinuierlich und zielstrebig die historische Pionierarbeit der aufgeschriebenen Lüdersdorfer Geschichte fortgesetzt, z.B die Fortführung der Häuserchronik und die Veröffentlichung von Lüdersdorfer Dokumenten für Alle. Der Heimatverein Lüdersdorf e.V. wird das Erbe von Albert Wuthe fortsetzen.
„GEDENKT DERER DIE VOR EUCH WAREN“ Albert Wuthe
Andreas Jehmlich bläst ein Heimatlied zum Beginn der Ehrung
Heimatvereinsvorsitzender Uwe Heyer und Ortsvorsteherin Nicole Ertel
Handstrauß vom Heimatverein
Beginn der Ehrung, rechts im Bild Angehörige von Albert Wuthe
Kameradinnen der Freiwilligen Feuerwehr legen Blumen am Gedenkstein ab
Jörg Roschlau hält die Gedenkrede
Lüdersdorfer Häusergeschichten
Geht man heute bei einem Spaziergang durch unser Dorf sieht man an der alten Schule, am Haus der Vereine, am Schützenhaus, an der Friedhofskapelle jeweils eine Informationstafel mit deren Geschichte stehen. Zusätzlich ist ein QR-Code vorhanden, mit dem man über einen Link auf unsere Lüdersdorfer Geschichtswebseite kommt. So hat jeder die Möglichkeit mehr über dieses Gebäude zu erfahren.
Im April 2024 wurde im Rahmen dieser Initiative eine weitere Häusertafel über Albert Wuthe vor seinem elterlichen Haus mit seinen Enkeln enthüllt.
In der nächsten Zeit sind weitere historische Tafeln geplant!
Erinnerung an meinen Opa Albert Wuthe (mütterlicherseits)
Christiane Klimke, aufgeschrieben im April 2024
Gerne erinnere ich mich an die Geburtstage meines Opas. Sommeranfang, eine schöne Jahreszeit, alles grün und blühte auf den Dorfplatz. Das Haus War voller Gäste. Zu Opas Geburtstag kamen die Verwandten von Nah und Fern. Opas Schwester Martha aus Luckenwalde kam zwei Tage vorher, um meine Tante Brunhilde bei der Vorbereitung des Geburtstages zu unterstützen. Sie kam seit Jahren und war für ihren Hefeteig berühmt. Wir halfen beim Bedienen, Tischdecken, abwaschen usw. Mein Opa genoss die Feier. Höhepunkt war der Auftritt des Chors unter der Leitung von Heinrich Köhler. Mein Mein Opa war aktiv im Chor tätig. Als meine Oma mit Schlaganfall fest ans Bett gefesselt war, leistete mein Opa ihre Gesellschaft und schrieb dabei Noten für den Gesangsverein. Als mein Opa uns in Erfurt besuchte, er war mit meiner Schwester und Familie gekommen. Wir hatten die Wartburg in Eisenach besucht, waren den ganzen Tag auf den Beinen. Abends wollten wir jungen Leute ohne Opa ausgehen. Opa fragte bei der Rückkehr aus Eisenach, „Und was machen wir heute Abend?“ Er war in Bestform mit seinen 83 Jahren. Er reiste auch alleine mit der Bahn zu uns. Wir gingen zur Arbeit, er sah sich in der Stadt um. Unsere Nachbarin war ihm eine nette Gesellschafterin. Er fand schnell Kontakt zu anderen Menschen. Von seinen Urenkeln wollte er mit Tick-Tack-Opa angeredet werden, was die Urenkel auch gut fanden.