Dorffeste

Alle folgenden Texte aus 

Geschichte und Geschichten aus Glau zum 650. Jahrestag der Ersterwähnung

Zusammengetragen und aufgeschrieben von Willy-Fred Thoms


Erntefeste

Erzählt von Ursula Schmidt (geb. Lichtenfeld, 2015†) und Günter Schmidt (geb. 1926, 2024†)

 

Ein Höhepunkt im Dorfleben waren nach dem zweiten Weltkrieg die Erntefeste. Bauern des Dorfes stellten die Pferdewagen und die Pferde zur Verfügung. Die Frauen schmückten am Vorabend diese Wagen mit Feldfrüchten aus ihrer Ernte und mit Blumen. Beginn des Festzuges durch das Dorf war immer 14.00 Uhr. Auf dem ersten Pferdewagen saßen 3 bis 4 Laienmusiker. Auf dem folgenden die jungen Mädels mit dem Erntekranz. Bis zu 5 Pferdefuhrwerke nahmen an dem Marsch teil. Am Abend fand für alle Dorfbewohner im Saal der Gaststätte (heutige Glauer Dorfstraße 18) ein öffentlicher Tanz statt. Dieser dauerte bis gegen 22.00 Uhr.

Das Erntefest fand 3 bis 4 mal in den Nachkriegsjahren statt. Es war ein Fest ausschließlich für die Bewohner des Dorfes Glau. Die Volkstänze der Mädchen wurden von Ursula Lichterfeld (2015†) eingeübt. Jede Tänzerin hatte sich Rock und Bluse selbst genäht und auch den Stoff dafür beschafft. 


Ringreiten

Erzählt von Ursula Schmidt (geb. Lichtenfeld, 2015†) und Günter Schmidt (geb. 1926, 2024†)

 

Aus Erzählungen von älteren Dorfbewohnern war das Ringreiten ein Höhepunkt im Glauer Dorfleben. Schon zum Herrentag 1937, 1938 und 1939 wurde dieses sportliche Ereignis durchgeführt.

Nach 1945 organisierte die männliche Dorfjugend, als wieder Aufleben alter Traditionen diese Ringreitturniere. Der Hauptinitiator war Gerhard Mahlow (1978†) mit seinem Bruder Reinhard (2012†). 

Das 1. Ringreiten nach dem 2. Weltkrieg fand 1946 statt und das letzte im Jahr 1954. Die männliche Dorfjugend verringerte sich so stark durch Heirat und Wegzug in andere Ortschaften, dass auch die Durchführungen weiterer Turniere keinen Sinn mehr machte. Die Söhne der Bauernhöfe ritten auf ihren eigenen Pferden. Unter den Mädchen wurden 8 Preisträger ausgelost. Der Wettkampf fand hinter den Lauben am Glauer Berg  (heute Laubenweg) statt.  An einem torähnlichem Gerüst war in der Mitte der Querstange ein Ring aus Weide aufgehangen. Die Reiter mussten im Galopp mit einem Stab den Ring abstechen. Es fanden mehrere Durchgänge statt. Der Reiter, der die meisten Ringe abgestochen hatte, war Sieger. Das Siegerpferd bekam einen Kranz aus Eichenblättern, an demes sich sofort labte.        

Die Preise wurden durch eine Umlage aller Teilnehmer bezahlt. Auf der Dorfaue fand mit den ausgelosten Mädchen ein Ehrentanz mit den Preisträgern statt. Anschließend traf man sich zum Tanz in der Gaststätte "Hake" (heutige Dorfstraße 18) mit einer Laienkapelle. Dabei bemühte  sich der Gewinner des Wettbewerbs besonders um seine ihm zugeloste Tanzpartnerin.

 

Fotos folgen

* Festumzug zum Herrentag 1939

*1 Bild der Sieger v.l.n.r.

Gerhard Mahlow und Waltraud Brauer, Werner Paetz und Ilse Stuck,

Günter Schmidt und Ilse Henkel, Werner Henkel und ?

*2 Tanzvergnügen am Abend

Anzeige in der " Trebbiner Zeitung" vom 24. Mai 1938

Siegerpokal 1946


Auf nach Glau!

Ruinenfest

in der Glauer Dorfaue 3 

Text: Jürgen Bieberstein (geb. 1936)

 

Gut anderthalb Jahre haben unsere Nachforschungen gedauert, um zu klären, wer der rechtmäßige Eigentümer des 40 Jahre lang verwaisten, verwilderten Grundstücks an der Glauer Dorfaue Nr. 3 war. Im September 1992 hatten sich die zeitaufwendigen Recherchen gelohnt, die bis nach Berlin in die verwinkelten Tiefen der Gerichtsaktenberge von 1946 führten. Einige Dorfnachbarn, die uns von Anfang an freundlich und hilfsbereit entgegenkamen, konnten bei unserer Spurensuche, die manchmal einer verworrenen Schnitzeljagd glich, mit ihren Erinnerungen und Auskünften helfen. 

Und dann war es soweit: finis coronat opus - das Ende krönt das Werk! 

Einige Tage nach der Unterzeichnung des Kaufvertrags besorgten wir für den 100jährigen Birnbaum auf dem Grundstück, der üppige Ernte versprach, bei der Firma Paul Hähnchen in Trebbin, eine "standesgemäße", echte thüringische Holzleiter; 5 Meter hoch. Es war unsere zweite Anschaffung in Glau. 

Nachdem wir mit dem wüsten 'Gelände und dem maroden Gemäuer ringsum in aller ausgelassenen, ja übermütigen Phantasie Freundschaft geschlossen hatten, ging es uns darum, mit den Dorfbewohnern bekannt zu werden. Nur wenige hatten wir bereits in der Dorfkneipe .Zur Erholung" kennengelernt. Und dort kamen wir auf die Idee ein ,,Ruinenfest" auf unserem Hof für alle Nachbarn zu veranstalten. Mit der Wirtin Monika Seuthe wurde das Fest für Sonnabend, dem 19. September 1992, ab 17 Uhr verabredet. Sie wurde unsere resolute Zeremonienmeisterin für diesen Tag. Etliche Fässer Bier, kistenweise Limonade, einige Flaschen Goldbrand und Klosterbruder sowie reichlich Bockwürste und Schrippen wurden geordert. Musikanten spielten märkische Heimatklänge und das Hoftor wurde weit und breit zum Empfang geöffnet. Aus Berlin reisten wir nachmittags mit ungefähr 50 Freunden in einem Charterbus an. Inzwischen war auch der größte Teil unserer Nachbarschaft eingetroffen und wir konnten uns, nach meinen Begrüßungsworten (von der thüringischen Leiter aus dem Birnbaum heraus) und nach dem Festgedicht ,,Abschied und Ankunft" mit den Glauer Gästen ohne Förmlichkeiten bekannt machen und ein geselliges Rendezvous geben. Das ersparte uns mit einem Schlag die Klinkenputzerei von Haus zu Haus an der Dorfaue entlang und war dennoch ein ehrenvolles, fröhliches Fiduzit, ein kerniger Vertrauensbeweis, der allen Gästen gefiel. Interessant waren die Zwischentöne von Freunden bei der Besichtigung der Scheune, in die die Septembersonne gerade ihr gleißendes Licht durchs zerborstene Dach wie flüssiges Gold schüttete: ,,Die müssen doch verrückt sein, sich solche Ruine zu kaufen!" Und die Stimme eines bekannten Trebbiner Bauunternehmers raunzte in tiefem Baß: ,,Dit schönste wat die hier haben, is die Mülltonne. Allet andere schieb ick zusammen und räum it ab!" Zum Glück konnten wir auf solche wuchtige Dienstleistung verzichten und gelangten mit Geduld und Spucke zur behutsamen Neugestaltung unseres Künstlerhauses Rollwenzelei in Glau. 

 Übrigens mussten wir Berliner am 19.5eptember '92 schon um 23 Uhr mit unserem gemieteten Bus von Glau abreisen. Das aber tat dem Ruinenfest keinen Abbruch, denn Monika und einige dazu gewonnene Helferinnen hielten tapfer und energisch die Stellung und bewirteten die Gäste fürsorglich bis zum letzten Tropfen, morgens um Sechs.